ÄSTHETISCHE DERMATOLOGIE

Lippeninjektionstechniken und zu berücksichtigende unerwünschte Wirkungen

Les techniques d’injection des lèvres et les effets indésirables à envisager

Petra Maria Becker-Wegerich, Meilen

― Ein dezenter Lifting-Effekt des Gesichts sowie stabile Konturen mit Natürlichkeit der Lippen sind heute mehr denn je gefragt.
― Rheologisch optimierte Hyaluronsäure(HA)-Gel-Produkte stehen heute für jede Region zur Verfügung. Diverse Injektionstechniken sind didaktisch so entwickelt, dass sie einfach zu erlernen sind. Allerdings sind weitere evidenzbasierte Langzeitstudien, die über zwölf Monate hinausreichen, gefordert, um Erfahrungswerte positiver und negativer Auswirkungen der HA-Gel-Haltbarkeit und ihres rheologischen Verhaltens besser zu beurteilen.
― Seltene Nebenwirkungen sollten genau geprüft, dokumentiert und gemeldet werden und in Expertenforen mit erfahrenen Kollegen ausgetauscht werden.
― HA-Filler- und Off-Label-Anwender der Botulinumtoxin-A-Produkte in der Lippenregion und Umgebung sollten die Nebenwirkungen kennen, regelmässig an einem Injektionstraining teilnehmen und die anatomischen Kenntnisse in Kadaverkursen rekapitulieren. Immer «up to date» zu sein, ist für Behandler und Behandelte der sicherste Weg.

― Un effet discret de lifting du visage ainsi que des contours stables avec un aspect naturel des lèvres sont actuellement plus que jamais réclamés.
― Des produits à base de gel d’acide hyaluronique (AH) rhéologiquement optimisés sont actuellement disponibles pour chaque région. Les diverses techniques d’injection bénéficient d’une pédagogie si développée qu’elles sont faciles à apprendre. Toutefois, d’autres études factuelles à
long terme qui devraient dépasser les douze mois, sont nécessaires, pour mieux évaluer les valeurs empiriques des effets positifs et négatifs de la
stabilité du gel d’AH et de son comportement rhéologique.
― Les effets secondaires rares doivent être vérifiés de manière précise, documentés et déclarés et débattus dans les forums spécialisés avec des
confrères expérimentés.
― Les utilisateurs d’agent de comblement à base d’AH et de produits à base de toxine botulinique A hors AMM doivent connaître les effets secondaires, participer régulièrement à une formation aux injections et réviser les connaissances anatomiques lors de cours sur cadavres. Être toujours «à la page» est le chemin le plus sûr pour le soignant et le  soigné.

■ Im theoretischen ersten Teil der Fortbildungsreihe, der in der letzten Ausgabe der DERMATOLOGIE PRAXIS erschienen ist, wurde aufgezeigt, welchen Veränderungen die Lippen und Lippenumgebung im Alterungsprozess unterliegen. Nun geht es um die Praxis der Fillerbehandlung in diesem Bereich des Gesichts. Komponenten, die bei der Injektion der Lippen berücksichtigt werden müssen, sind: Profil, Projektion, Augmentation und Symmetrie (Abb. 1). Das praktische Vorgehen vor der HA-Behandlung ist in Tabelle 1 dargestellt.

Vielfalt der Lippeninjektionstechniken
Von über 18 Injektionstechniken finden sich die interessantesten und hilfreichsten in Publikationen oder
Studien [1–17]. Zu berücksichtigen ist, dass die meisten Behandler selbst entwickelte Kreationen mit diesen Techniken frei kombinieren.

MD-Codes™ – Highlight für Anfänger und Fortgeschrittene
Ein Highlight ist das Ende 2015 neu aufgelegte Buch von Mauricio de Maio [7]. Ihm ist es gelungen, für das Gesicht und seine anatomischen Einheiten MDCodes™ zu entwickeln. Dieses auf höchstem Niveau entwickelte Werkzeug ist für Anwender einfach und effektiv, um eine individuelle sichere Planung und Behandlung zu erlernen. Die MD-Codes™ sind mit ihrer speziellen Terminologie zu den Einheiten und
Strukturen des Gesichts massgeschneidert und speziell für die Juvederm®-Vycross®-Collection und deren vielseitige Verwendbarkeit vorgesehen. Die anatomischen Einheiten werden in Buchstaben  dargestellt, die Untereinheiten der anatomischen Einheiten mit
Zahlen, die Seite des Gesichts durch r (rechts) und l (links). Die Zahlen sind hoch- und tiefgestellt (z.B. Lp1=Oberlippenrot; Lp1= Unterlippenrot). Injektions – punkte sind ebenso farbig dargestellt. In einer spezifischen Einheit ist die Reihenfolge nummeriert. Strukturen mit erforderlicher hoher Achtsamkeit oder Gefahr (z.B. Nerven) sind in Rot gekennzeichnet, wie im Autoverkehr die Stoppschilder und Verbotsschilder.
Der 8-Point-Lip-Reshape-Code (Abb. 2): Die MDCodes™ der unteren Gesichtsregion sind in Zusammenschau zu sehen.

 Für die Lippen zeigt ein Schema mit einer 8-Punkte-Lippenformung den Weg zur einfachen Handhabung auf. Der 8-Punkte-Lippen-Code umfasst die zwei Buchstaben Lp für Lippe, hochgestellte Zahlen für die Oberlippe und tiefgestellte Zahlen für die Unterlippe. Der Injektionslevel in die Mukosa ist lila, und in die intradermalen Schichten blau dargestellt. Der Beginn sollte jeweils bei LP1 sein, danach kann die Zahlenreihenfolge bis LP8 Schritt für Schritt abgehandelt werden. Für die Lippenformung werden drei Tabellen angegeben. In jeder Tabelle finden sich   übersichtlich die zum Code Lp1 – Lp8 passenden Produkte und  Injektionslevel (in der Farbe Blau und Lila markiert). Ebenso werden die Volumenmenge in ml, die Injektionstechnik sowie die Nadeloder  Kanülenempfehlung aufgezeigt.

Basis-Injektionstechniken
Einige grundlegende Injektionstechniken sind in Abbildung 3 dargestellt, dazu gehören:
– lineare Technik (retrograde Injektion) mit scharfer Nadel oder stumpfer Kanüle
– Punkttechnik (retrograde Injektion) mit scharfer Nadel
– Fächertechnik mit stumpfer Kanüle oder scharfer Nadel (retrograde Injektion)
– Tunneltechnik
– senkrechte Technik (retrograde Injektion) mit scharfer Nadel
– No-Touch-Technik: zwei bis vier Injektionszugänge ohne Mukosakontakt

Produkte und Injektionsebenen für die Lippe und periorale Umgebung sind: Emervel® Lips (Submukosa, intramuskulär, postmuskulär),  Emervel® Classic (mittlere Dermis), Emervel® Deep (tiefe Dermis), Restylane® (mittelere Dermis), Restylane® Perlane (tiefe Dermis, supraperiostal), Volbella® (Submukosa, intramuskulär, postmuskulär), Volift® (tiefe Dermis), Voluma® (supraperiostal), Belotero Balance® (Submukosa), Belotero Intense® (tiefe Dermis, subkutan) und Belotero Volume® (supraperiostal, subkutan). HA-Produkte können Anästhetika (0,3% Lidocain) beinhalten.

Die Injektionen mit der spitzen Kanüle können, so auch bei nicht  vorhersehbaren anatomischen Varianten der Gefässe, zu einer  unbeabsichtigten intravaskulären Injektion führen. Die Empfehlungen zur höheren Injektionssicherheit zielen auf die Anwendung flexibler oder starrer Kanülen mit einer stumpfen Spitze und seitlicher Öffnung (z.B. von 25–22 Gauge). Sie sind gewebefreundlicher, atraumatischer und  gleiten schmerzfreier in der entsprechenden Gewebeschicht. Mit nur  wenigen Stichzugängen ist die gleichmässige Verteilung der  Hyaluronsäuren möglich.

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Abb. 1: Zu berücksichtigende Komponenten

Vorgehen in der Praxis Vorsichtige Formung und Definition des Lippenrotrands (Abb. 4 und 5):
– leichte Volumengabe des Rands: Dem vorgegebenen Rand folgend der Oberlippe entlang subkutan
oberhalb dem Rand oder direkt in dem Lippenrand oder direkt unterhalb des Lippenrands im Lippenrot (zur gleichmässigen Proportionierung auch Behandlung des Rands der Unterlippe)
– schrittweise Behandlung bei schmalen Lippen oder jungen Frauen: zuerst Volumendefinition zur Projektion und Eversion des Lippenrots und dann (Feinkorrektur nach zwei bis vier Wochen) den Rand, falls nötig
– Beginn an der Unterlippe, um das anatomische ästhetische Verhältnis Oberlippe zu Unterlippe zu respektieren
– Mit der Kanüle: 5 mm lateral der Mundwinkel; 25–22 G-Kanüle; retrograde Injektionen entlang des Lippenrands (entlang der gesamten Strecke unter Auslassen des Amorbogens); HA fliesst wie in einem Kanal beim retrograden Injizieren
– Mit der Nadel: entlang der Lippenrotlinie auf dem Level des Rands in 1-cm-Abständen je eine retrograde Injektion; pro Seite zwei  Eintrittspunkte im Winkel von 30°; senkrechte Injektionen ein  Eintrittspunkt neben den anderen im Lippenrotrand, je ein Tropfen HA 2 mm unterhalb dem Lippenrotrand subkutan; Oberlippe und Unterlippe,  falls erforderlich

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Abb. 2: 8-Point-Lip-Reshape

Oberlippen-Fältchen
– Mit der Nadel (30 G): Eintrittspunkt weisse Oberlippe; vertikale Injektion intradermal; BlanchingInjektionstechnik mit Belotero® Soft oder bei  tiefen, bis in das Lippenrot ziehenden Falten Belotero® Balance

ÄSTHETISCHE DERMATOLOGIE

Tab. 1: Vorbereitung für die Injektion der Lippen

– Fotodokumentation der Patientin vor und nach der Injektion
– Foto von der Wunschlippe
– falls vorhanden: Entfernung von Piercings im Lippenbereich
– Abschminken und grossflächige Desinfektion der gesamten Lippenregion und
Umgebung, d.h. Make-up-Entfernung und Reinigung der Gesichtsumgebung, bis
keine Make-up-Reste mehr vorhanden sind
– Abdecktuch mit Halteklammer
– OP-Liege, verstellbares Kopfteil
– OP-Haube (Haare aus dem Gesicht)
– Mundschutz Arzt und Assistenz
– Handspiegel für die Patientin
– Phi-Meter (A. Swift) zur Messung der Phi-Proportionen
– Nutzung der Scales, Codes und Klassifikationen: Erstellung des Injektionsplans
– Kajalstifte zur Markierung, bei Nervenblock vorher Markierungen einzeichnen
– Lokalanästhesie-Gel 30 min vorab dünn aufgetragen
– bei Bedarf Injektionsset für Leitungsanästhesie (Infraorbitalis- und
Mentalis-Block)
– bei stumpfer Kanülen-Technik sterile evtl. Latex-freie Handschuhe
– Desinfektionstupfer und Kühlkompressen während der Behandlung
– Rezept bei Herpes (Valaciclovir 500 mg) ein Tag vor Injektion, Beginn mit
1× 1/Tbl., danach 2× 1/Tbl. über fünf Tage
– Injektionsprotokoll anlegen
– Injektionspass = Beauty-Filler-Pass mit Eintrag der Produkt-Chargen-Nr. und
evtl. Technik [18]
– Visitenkarte mit Telefonnummer für Notfälle und im Behandlungszimmer eine
Hotline-Nummer zu einer ophthalmologischen Klinik in der Nähe
– Hyaluronidase (Hylase® Dessau) im Kühlschrank mit Auflösungsschema für
Korrekturen und Behandlung bei unbeabsichtigter (sehr seltener) intravaskulärer Injektion mit Embolie-Ereignissen («off label») [16–24]

Dreiecks mit der Kanüle oder mit der Nadel (wenig HA)
Philtrum-Projektion
– Mit der Nadel: Eintrittspunkt am höchsten Punkt des Amorbogens beidseits; entlang der V-förmig vorgegebenen angedeuteten Kolumen; vertikale, retrograde lineare, intradermale Injektionstechnik
Lippenrot (Vermillion)-Befeuchtung ohne Projektion
unter Erhaltung der natürlichen Konvexität
– Mit der Kanüle: Eintrittspunkt 5 mm lateraler Mundwinkel oder im Lippenrot; flächendeckende Injektion direkt unter die Mukosa;  Fächertechnik 25 G
Mona-Lisa-Smile und Amorbogen-Peak-Point
– Mit der Nadel (30 G): Eintrittspunkt Mundwinkel oder pfeilförmig um den Mundwinkel oder ein Volumenpunkt 0,025 ml je Seite senkrecht dermal (z.B. Emervel® Lips oder Classic oder Belotero® Balance, Volbella®); Amorbogen-Spitzen beidseits ein Volumenpunkt 0,025 ml
Lippenvolumen
– Mit der Nadel (30 G): Eintrittspunkt 2–5 mm oberhalb des Lippenrands der Oberlippe und ggf. bei Unterlippe zwei bis vier Eintrittspunkte tief hinter oder in den M. orbicularis oris (MOO) auf der Höhe der mukosalen Zahnabschlussreihe (je ein HA-Bolus von 0,1–0,15 ml); Nadelschliff nach
unten; retrograde HA-Abgabe beim Injizieren langsam von innen nach aussen immer weniger abgebend und dabei die Nadel langsam bis zur Grenze des Lippenrotrands führen, dann Injektion beenden  (=Projektionspunkte zwei bis vier); je nach Projektionswunsch die Menge variieren; leichte Massage
– Mit der Kanüle (25 G): Eintrittspunkt 2 mm neben dem Mundwinkel; lineare retrograde Injektionstechnik tief hinter dem MOO (Eversion)
–Mit der Kanüle: Eintrittspunkt weisse Oberlippe; 5–10 mm oberhalb des Lippenrands neben dem Mundwinkel; bei sehr tiefen radiären Falten Fächertechnik (oder linear subkutan 25 G oder 30 G)
Mundwinkel-Augmentation
– Mit Kanüle oder Nadel: Eintrittspunkt 5 mm neben Mundwinkel; mit 25 G Fächertechnik entlang eines
Mögliche Nebenwirkungen und Vorsichtsmassnahmen
Die Entwicklung neuer dreidimensionaler Volumenaufbau- und Kontur-Techniken sowie tieferer und grossflächigerer Injektionen erfordert eine präzise Anatomiekenntnis. Somit kommen Nebenwirkungen sehr selten und meist temporär vor. Die Produktsicherheiten sind hoch. Während und nach einer Lippenverschönerung mit Hyaluronsäure treten gelegentlich vasovagale Synkopen, Schmerz oder leichtes Druckgefühl, ein Ödem, Erythem, Hämatome, eine Infektion im Bereich der Einstichstellen, ein Herpesschub, eine Asymmetrie (nach Lokalanästhesie-Infiltrationsblock), Überkorrektur, Blue-Lines (Tyndall-Effekt), unregelmässige Kontur oder Ränder, und selten Pusteln, Papeln, Knoten, Abszesse sowie ein Verrutschen der HA bei tiefgestochenem Permanent-Make-up auf (Abb. 6 und Tab. 2) [16,18].

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Abb. 3: Basis-Lippeninjektionstechniken A) Fächertechnik mit  Mikrokanüle, B)  Fächertechnik mit Nadel, C) Senkrechte Technik

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D) Longitudinale Technik, E) Punktuelle Technik (Bolus-Technik), F) No-Touch-Reshape-Technik (Injektionszugang: 5 mm oberhalb der Lippenrandgrenze)

Zu den extrem seltenen möglichen persistierenden Nebenwirkungen gehören Nekrosen (auch mit verbleibenden Narben) und publizierte Einzelfälle von Blindheit nach vaskulärer Embolisierung oder rezidivierende Knoten (Biofilm, BDDE-Allergie, Typ IVAllergie wie Fremdkörpergranulome) [16,17,19,20].
  Sowohl bei der Lippeninjektion als auch in der Umgebung sollten zu schnelle Injektionen mit zu viel Druck und Material vermieden werden. In gefässreichen Arealen wird eine Aspiration empfohlen. Bei plötzlichem starkem Schmerz oder Kopfschmerz, Abblassen der Haut («blanching» länger als zehn Minuten) oder Livedo-Zeichnung während und nach
der Injektion im Injektionsgebiet oder der Umgebung sollte die Injektion sofort unterbrochen werden. Umgehend Hyaluronidase stündlich in diesem Gebiet und in der Umgebung injizieren, bis die Vaskularisierung wieder gewährleistet ist. Ein Abwarten über vier Stunden mindert die komplette Revaskularisierungsmöglichkeit. Die behandelnde Ärztin/der
behandelnde Arzt sollte generell nach jeder Injektion erreichbar sein. Die Sicherheit der Patienten geht vor.
  Bei Verdacht und Zeichen auf Gefässembolus (Embolien der Netzhaut) mit der Folge einer Erblindung sollte sofort, vorausgesetzt man ist mit der Technik vertraut, hoch dosiert (es gibt kein Maximum) retrobulbär  Hyaluronidase injiziert werden. Die Patientin muss umgehend in die  nächstliegende ophthalmologische Klinik überführt werden. Innerhalb  der ersten 90 Minuten sollte die Behandlung erfolgt sein, um eine irreversible komplette Blindheit verhindern zu können [18–21].
Wir empfehlen, Patienten, die in der Anamnese eine schwere Anaphylaxie auf Hymenopteren-Gifte durchgemacht haben oder eine starke Schwellung nach Stichereignissen erfahren haben, zu testen und vorab einen Bienen-Wespen-RAST abzunehmen [22]. Eine Patientin in unserer ästhetischen Sprechstunde reagierte umgehend nach Hyaluronidase-Injektionen (Hylase® «Dessau» [Fa. Riemser]) mit massivem perioralem und enoralem Ödem ohne Systembeteiligung. Der RAST auf IGE-Antiköper gegen Hylase® «Dessau» war positiv, der RAST auf Wespe war ebenso hoch positiv (>100 KU/l). Somit sollten Typ I-Allergien auf  Hyaluronidase vor Einsatz in der ästhetischen Korrekturbehandlung immer mitbedacht werden.

Empfehlungen für die Praxis
– Nie mehr als 0,5–1 ml Gesamtvolumen je Lippe
– Bei schmalen Lippen zunächst zwei Sitzungen planen; langsamer Volumenaufbau
– Einen Nachbehandlungstermin anbieten
– Nach der Behandlung erreichbar sein
– Stumpfe Kanülen je nach Lokalisation und Anatomie
den spitzen Nadeln vorziehen
– Verlauf und Tiefe der Gefässe berücksichtigen
– Risikoareale meiden

Tab. 2: Handhabung nach der Injektion und bei seltenen Nebenwirkungen

Nach der Injektion:
– feuchte kühle Eiskompressen 5–10 min
– Massage sehr sanft direkt nach der Injektion
– desinfizierendes Make-up
Nachkontrolle nach ein bis zwei Wochen und ggf. HA-Nachinjektion
Verhaltensregeln nach Injektion von HA:
– Fucidin® 2% Salbe als Lippenpflege für drei Tage (antibiotisches Lipgloss)
– keine Sauna, kein Dampfbad >40°, kein Schwimmbad
– bei Schmerzen nach Injektion: Paracetamol
– keine Gesichtsmassage oder -kosmetik
– kein Solarium
– nicht auf dem Bauch oder der Seite schlafen am ersten bis zweiten Tag
Bei Herpes in der Anamnese: Einnahme eines antiviralen Medikaments über
drei bis fünf Tage danach
Hyaluronidase-Einsatz («off-label») bei [18,20–23]:
– plötzlicher Weissfärbung der Haut im Arterienversorgungsgebiet
– starken Schmerzen an unbehandelter Stelle sofort oder nach Stunden
– Markierung einer Livedo reticularis
– Asymmetrie
– Überkorrektur
– Blue-Lines (Tyndall-Effekt)
– persistierender Schwellung
– Knoten
Auflösung von Knoten: Hylase® Dessau 150 i.E. Riemser Trockensubstanz

Zu den extrem seltenen möglichen persistierenden Nebenwirkungen gehören Nekrosen (auch mit verbleibenden Narben) und publizierte Einzelfälle von Blindheit nach vaskulärer Embolisierung oder rezidivierende Knoten (Biofilm, BDDE-Allergie, Typ IVAllergie wie Fremdkörpergranulome) [16,17,19,20].
  Sowohl bei der Lippeninjektion als auch in der Umgebung sollten zu schnelle Injektionen mit zu viel Druck und Material vermieden werden. In gefässreichen Arealen wird eine Aspiration empfohlen. Bei plötzlichem starkem Schmerz oder Kopfschmerz, Abblassen der Haut («blanching» länger als zehn Minuten) oder Livedo-Zeichnung während und nach
der Injektion im Injektionsgebiet oder der Umgebung sollte die Injektion sofort unterbrochen werden. Umgehend Hyaluronidase stündlich in diesem Gebiet und in der Umgebung injizieren, bis die Vaskularisierung wieder gewährleistet ist. Ein Abwarten über vier Stunden mindert die komplette Revaskularisierungsmöglichkeit. Die behandelnde Ärztin/der
behandelnde Arzt sollte generell nach jeder Injektion erreichbar sein. Die Sicherheit der Patienten geht vor.
  Bei Verdacht und Zeichen auf Gefässembolus (Embolien der Netzhaut) mit der Folge einer Erblindung sollte sofort, vorausgesetzt man ist mit der Technik vertraut, hoch dosiert (es gibt kein Maximum) retrobulbär  Hyaluronidase injiziert werden. Die Patientin muss umgehend in die  nächstliegende ophthalmologische Klinik überführt werden. Innerhalb  der ersten 90 Minuten sollte die Behandlung erfolgt sein, um eine irreversible komplette Blindheit verhindern zu können [18–21].
Wir empfehlen, Patienten, die in der Anamnese eine schwere Anaphylaxie auf Hymenopteren-Gifte durchgemacht haben oder eine starke Schwellung nach Stichereignissen erfahren haben, zu testen und vorab einen Bienen-Wespen-RAST abzunehmen [22]. Eine Patientin in unserer ästhetischen Sprechstunde reagierte umgehend nach Hyaluronidase-Injektionen (Hylase® «Dessau» [Fa. Riemser]) mit massivem perioralem und enoralem Ödem ohne Systembeteiligung. Der RAST auf IGE-Antiköper gegen Hylase® «Dessau» war positiv, der RAST auf Wespe war ebenso hoch positiv (>100 KU/l). Somit sollten Typ I-Allergien auf  Hyaluronidase vor Einsatz in der ästhetischen Korrekturbehandlung immer mitbedacht werden.

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Abb. 4: Behandlungsbeispiel: schmale Oberlippe, jung (vorher, nachher)

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Abb. 5: Behandlungsbeispiel: schmale Lippen, Oberlippenfältchen,
alt (vorher, nachher)

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Abb. 6: Gallertartiges Sekret: HA-Abszess mit Pusentleerung drei Tage nach Saunabesuch. Kultur nach Inzision: Staphylokokkus aureus

  Nebenwirkungen sind den Produktherstellerfirmen umgehend zu melden und an ein Nebenwirkungsregister weiterzuleiten. Wir raten zu einer angemessenen Haftpflichtversicherung (Nebenwirkungen auch dort melden). Anfänger sollten zunächst einfache Lippen mit wenig Alterung mit HA behandeln.
  Allgemein wird empfohlen, eine korrekte Aufklärung durchzuführen und durch belegte Studien lang erprobte HA-Produkte zu verwenden. Eine lückenlose Betreuung der Patienten nach der Injektion ist empfehlenswert und lässt auch Anfänger besser schlafen. Haus- oder Kosmetikstudio-Behandlungen, die oft keine medizinische Nachbetreuung gewährleisten, nehmen zu. Wir empfehlen, solche Behandlungswege im Sinne der eigenen Sicherheit zu meiden.

Filler und Botulinumtoxin A (BTX-A)
  Die Kombination aus Filler und Botulinumtoxin A (BTX-A) verlängert die Haltbarkeit der Filler. Wer keine Filler möchte, kann auch mit BTX-A einen
Effekt sehen. Bei BTX-A handelt es sich um eine sichere und effektive Technik, die als primäre OffLabel-Behandlung für Oberlippenfalten eingesetzt werden kann. Zusammen mit Fillern kann BTX-A die Resultate sichtbar beeinflussen und zu einem länger anhaltenden und  zufriedenstellenden Effekt führen [24,25].
  Die Beurteilung der gesamten um die Lippen gelegenen Muskulatur in Ruhe und in Mimik bestimmt den Off-Label-Einsatz von BTX-A in diesen Regionen. Seltene Abschwächungen des Mundschlusses, Pfeifschwäche, Asymmetrien oder Schluckbeschwerden, die sehr selten bei  Mitbehandlung des Platysmas auftreten können, sind schriftlich in die Aufklärung miteinzubeziehen. Sänger oder Schauspieler sollten nicht oder zurückhaltend mit niedrigsten Dosen injiziert werden.
   BTX-A-Mikrodosen in die obere Dermis der Ober- und Unterlippe schwächen nicht die Beweglichkeit, beeinflussen jedoch den vertikalen Faltenrückgang und fördern die Volumenzunahme. Somit bleibt die Funktion bei der subkutanen Quaddeltechnik über die oberen Fasern des Sphinktermuskels erhalten. Verantwortlich für das Herabziehen von Mundwinkel mit der seitlichen Lippe ist sowohl der M. depressor
anguli oris als auch der obere Anteil des Platysmas. Das Platysma ist ein mimischer Muskel, der durch seinen Ansatz direkt in der Haut einen  grossen Mimikanteil hat. BTX-A-Mikroinjektionen in diesen Muskel (Bänder und mandibulärer Übergang) verschönern nicht nur den Hals und die untere Gesichtskontur, sondern schwächen die lateralen  Wangen-Kinn-Falten ab und heben den Mundwinkel. Ab 50 Jahren bieten wir die Kombination BTX-A mit Filler (Anheben der Mundwinkel durch MD Codes™: Cheek-Reshape-Points und Marionetten-Reshape-Points) und
Thermage® oder fraktionierte Laser bei allen, die eine invasivere Lifting-Chirurgie ablehnen, als eine Alternative an.

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In der Rubrik «Ästhetische Dermatologie» berichten die Mitglieder der Swiss Group of Esthetic Dermatology and Skin Care (SGEDS) unter der Leitung von Dr. med. Oliver Ph. Kreyden über die Entwicklungen in ihrem Fach.

Interessenskonflikt: Diese Arbeit wurde mit Bildmaterial und Tabellen der Firmen Galderma, Allergan und Merz unterstützt, darüber hinaus bestehen keine weiteren Interessenskonflikte.

Danksagung: Für die Überlassung des Bildmaterials o.g. Firmen und Dr. Mauricio de Maio sowie für die Unterstützung PD Dr. S. Cotofana, Dr. Thorsten Walker, Dr. Siegfried Schmidt, Regine Raymond-Nachbauer und Marie Fritsche.

Literaturliste beim Verlag

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Dr. med. Petra Becker-Wegerich
Ästhetik- und Laserzentrum Zürichsee
Dorfstrasse 94
8706 Meilen
info@laserepilation.ch
www.laserepilation.ch